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„Es gibt keinen Fachkräftemangel!“


Was ein Statement! Bei diesem Satz wurden wir richtig hellhörig. Denn er fiel ausgerechnet im Zusammenhang mit dem Recruiting im Handwerk.


Aber von vorne: Wir sprachen mit Andreas Dalinghaus von der Kreishandwerkerschaft Cloppenburg über das Handwerksrecruiting, junge Talente, Azubi-Gewinnung, den Fachkräftemangel und darüber, wie man Freund:innen gewinnt. Andreas ist gelernter Installateur- und Heizungsbaumeister, hat in seinem bisherigen Berufsleben einige spannende Stationen gehabt und schon in den ersten Minuten des Gesprächs stellten wir fest: Neugier und Offenheit treiben ihn durchs Leben. Umso spannender wurde dann unser Gespräch.


Vor welchen Herausforderungen steht das Handwerk und was ist Dein Ansatz damit umzugehen?


Die meisten Handwerksbetriebe stehen vor der Herausforderung, Fachkräfte oder auch Auszubildende zu finden und diese an ihren Betrieb zu binden. Also steht das Handwerk – genauso wie andere Branchen – vor dem Fachkräftemangel. Allerdings ist das für mich kein Fachkräftemangel, sondern vielmehr die fehlende Kreativität beim Suchen nach den Fachkräften und Auszubildenden. Denn wenn wir alle Wege nutzen, dann finden wir auch genug Talente. Es gibt viele Unternehmen im Handwerk, die kein Problem damit haben, Fachkräfte oder Auszubildende zu finden. Deshalb muss ich an dieser Stelle noch einmal weitergehen und sagen: Ich sehe die größte Herausforderung hier tatsächlich bei der eigenen persönlichen Weiterentwicklung. Denn die wenigsten Unternehmer:innen im Handwerk stellen sich die Fragen: „Wie bin ich als Mensch? Wie wirke ich auf andere Menschen, insbesondere auf junge Menschen?“ Dabei sind das essenzielle Fragen. Das Buch „Wie man Freunde gewinnt“ hat mir hier persönlich sehr weitergeholfen, denn ein entscheidender Impuls war das Zuhören. Es ist so wichtig, gerade jungen Menschen zuzuhören. Sie zu fragen, was ihre Intention ist in genau diesem Betrieb arbeiten zu wollen. Das ist der Anfang.


Gehen wir nochmal einen Schritt zurück. Denn damit die Betriebe überhaupt fragen und zuhören können, brauchen sie ja zuerst interessierte Auszubildende oder Fachkräfte. Was rätst du Handwerksunternehmen bei der Suche nach Mitarbeitenden?


Zu Beginn sollte jedes Handwerksunternehmen für sich ganz klar die eigene Vision für das Unternehmen kennen und sich dementsprechend aufstellen. Wichtig ist dabei insbesondere die Außenwirkung. Denn Handwerksbetriebe müssen sichtbar sein, um für Fachkräfte stattzufinden und vor allem um die passenden Talente anzuziehen. Hier spielt Employer Branding eine große Rolle.

Aktuell haben wir auch noch die Herausforderung, das Handwerk für die jungen Menschen noch gar keine Option ist, es ist als Berufsbild nicht attraktiv genug. Und das wird lange dauern, bis wir das ändern können. Dafür brauchen wir Vorbilder, authentische Menschen, die zeigen, was Handwerk alles ist und kann – und vor allem um viele Vorurteile abzubauen. Hier ist vor allem die Zusammenarbeit mit Schulen ein wichtiger Punkt. Und ich sehe bei meiner Arbeit eben auch das steigende Interesse von Schulen am Handwerk. Das müssen wir nutzen. Wir müssen Unternehmer und Unternehmen mit Schulen verknüpfen und da Brücken schlagen.


Immer noch haben wir einen niedrigen Frauenanteil in Handwerksberufen. Was muss sich deiner Meinung nach verändern, damit mehr Mädchen eine handwerkliche Ausbildung starten?


Ganz klar: Das System und das soziale Umfeld müssen sich weiterentwickeln. Hierbei ist es wichtig zu verstehen, dass Eltern immer noch einen großen Einfluss bei der Berufswahl haben. Vor diesem Hintergrund gewinnt auch die Aufklärungsarbeit in Schulen an Bedeutung. Wir müssen die Fesseln in den Köpfen lösen und das Schubladendenken aufgeben. Das schaffen wir, indem wir gerade auch im Onlinebereich, in den sozialen Medien mit Handwerksinfluencer:innen arbeiten, die eben zeigen, dass es nicht stimmt, dass Frauen irgendeinen Job nicht machen können. Denn das ist Quatsch!


Stichwort Digitalisierung! Der technologische Fortschritt verändert auch in Handwerksbetrieben das Arbeitsumfeld. Was bedeutet das genau?


Die Digitalisierung verändert Arbeitsabläufe. Einige Betriebe arbeiten bereits mit Exoskeletten (am Körper tragbare Roboter oder Maschinen zur Unterstützung beim Heben schwerer Lasten), wodurch körperlich anstrengende Tätigkeiten erleichtert werden. So hilft Digitalisierung auch den Beruf insgesamt attraktiver zu machen. Allerdings sind Handwerksbetriebe da sehr unterschiedlich weit. Auch hier haben wir also wieder das Zusammenspiel mit Weiterentwicklung. Die Betriebe müssen sich fragen: Wofür stehen wir? Wie arbeiten wir? Dadurch wird die Digitalisierung weiter vorangetrieben bzw. in den Arbeitsalltag integriert. Das verändert in einem nächsten Schritt auch die Zusammenarbeit von Vorgesetzten und Angestellten. Ich sehe, dass das Verhältnis dadurch besser wird, weil mehr Augenhöhe entstehen kann. Digitalisierung macht Handwerksberufe also attraktiver.


Wagen wir zum Schluss noch einen kurzen Blick in die Zukunft. Wie schätzt du die Zukunft des Handwerks ein?


Ich bin zuversichtlich, es geht in kleinen Schritten vorwärts und das wird in Zukunft sicher noch schneller gehen. Der Fachkräftemangel und die Digitalisierung treiben die Veränderung voran. Finanziell sind Handwerksberufe noch nicht attraktiv, aber auch das wird sich ändern. Handwerk ist geil. Und ich bin davon überzeugt, dass das in Zukunft auch noch sichtbarer wird, was viele Talente anzieht.


Handwerk ist geil, sagt Andreas Dalinghaus. Doch zum jetzigen Zeitpunkt teilen noch nicht viele Menschen in Deutschland seine Meinung. Genau darauf macht die Kampagne des Deutscher Handwerkskammertag e.V. aufmerksam und beleuchtet die Hürden, die es aktuell noch auf dem Weg ins Handwerk gibt. Wer mehr erfahren möchte, schaut unbedingt auch unter www.handwerk.de vorbei.


Vielen Dank an Andreas für das Interview und den wertvollen Input. Wir nehmen daraus viel für unsere eigene Arbeit mit. Denn wir sind davon überzeugt, dass Employer Branding nur dann wirksam ist, wenn es Arbeitgeber:innen Strahlkraft nach innen und außen gibt – also nicht nur Sichtbarkeit, sondern auch die passenden internen Rahmenbedingungen schafft. Und genau das hat uns das Gespräch mit Andreas nochmals verdeutlicht.



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